Ich habe neulich eine wunderbare Geschichte über Kathrin Weßling, Social-Media-Redakteurin aus Hamburg, gelesen. Sie hat nach dem Attentat am Brüsseler Flughafen den Hashtag #AufdieLiebe in Umlauf gebracht. Der Twitter-Gemeinde prostete sie mit einem Glas Vodka zu und schrieb: „Auf die Liebe, sich zuhören, sich & andere respektieren, ehrlich sein, heulen, schreien, auf über alles reden und trinken, auf küssen und Konfetti, auf das Leben und die Freiheit.“ Binnen Kürze prostete die ganze Welt zurück – als Zeichen gegen Hass und Angst. Einfach toll!
Doch Kathrin Weßling, die einst zu den Redaktionsköpfen von Mit Vergnügen Hamburg gehörte und heute vor allem für den Spiegel an der Social-Media-Front kämpft, schreibt nicht nur (gelegentlich) über die Liebe, sondern auch den damit verbundene Schmerz. Für diejenigen unter euch, die sich gerne auf literarisch wertvolle Weise mit dem Thema Liebekummer auseinandersetzen möchten, kommt hier ein Buchtipp zum Start in die wärmere Jahreszeit: „Morgen ist es vorbei“, heißt die Kurzgeschichten-Sammlung von Kathrin Weßling. Erschienen im August 2015.
Als ich letzten Herbst von Kathrins Weßlings Lesung zu dem Buch aus dem Hamburger Nochtspeicher kam, war ich ganz beseelt von dem Tiefgang ihrer Geschichten. Zugleich habe ich mich gefragt, ob die Autorin, die ich durch Mit Vergnügen Hamburg kenne, wohl schon viel erlebt hat, was sehr traurig macht. Wie sonst könnte man so anschaulich über Gefühle schreiben? In Kathrins Buch „Morgen ist es vorbei“ geht es um Liebeskummer in all seinen hässlichen Formen. Die Autorin schafft es, das, was diesen scheinbar schlimmsten aller Schmerze ausmacht, in Worte zu fassen, die jedem bekannt vorkommen.
Das soll allerdings nicht heißen, dass sie die Protagonisten ihrer Kurzgeschichten in abgedroschene Phrasen hüllt. Stattdessen verleiht sie innersten Empfindungen eine nahezu poetische Sprache und stellt Fragen, die tatsächlich schwer zu beantworten sind. Was hat es mit Menschen auf sich, für die wir schwärmen? Wollen wir Freunden insgeheim sagen „Guck mal, ich bin liebenswert, weil so einer mich mag“, wenn wir ihnen von einem neuen Partner erzählen? Und wie kommt es, dass Frauen ihr männliches Gegenüber manchmal nur so halb begehren und dann noch während des Geschlechtsverkehrs plötzlich denken: „Hm, vielleicht wird das doch was mit uns“.
Außerdem betont Kathrin Weßling in ihrem Buch, dass nicht jede Liebesgeschichte ein Happy End wie im Film hat. Manchmal wird eben nicht alles gut, jedenfalls nicht für den Moment. Beispielweise wenn einen der oder die ehemals Angebetete einfach ignoriert, einem mit lieblosen Worten Klamotten zurückschickt oder einem die Wohnungstür vor der Nase zuschlägt.
Es gibt Tage, da könnte ich komplett auf dem Fußboden verbringen, lässt Kathrin Weßling eine Figur ihres Buchs erzählen. Die Protagonistin fühlt sich, als ob sie eine Schwerkraft hinunter ziehen würde. Der Lärm der Motoren von vorbeifahrenden Autos fühle sich auf dem Boden näher an – so ließe sich die Distanz zur Welt etwas verringern, meint die junge Frau. Eine andere Buchfigur schildert die Momente, in denen man das Gefühl hat, nicht mehr in seine gewohnte Umgebung zu gehören: Was sonst vertraut und geliebt war, wirkt jetzt abweisend und fremd.
Auch vorgelesen zeigt „Morgen ist es vorbei“ übrigens seine Wirkung. Kathrin Weßling hat es bei der besagten Lesung im Nochtspeicher auf St. Pauli geschafft, das Geschriebene so zu betonen, dass die etwa 250 Zuschauer an ihren Lippen klebten. Einige Augen schweiften zwischendurch nachdenklich an die Decke der atmosphärischen Industrie-Location. Zu amüsierten Schmunzlern und gelegentlich lautem Auflachen führte das Gelesene im Publikum auch. Und für Gesprächsstoff im Nachgang sorgten Kathrins Zeilen in jedem Fall.
Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kauft für 14,99 Euro ihr Buch „Morgen ist es vorbei“ aus dem Luchterhand Verlag. Hier gibt es als Vorgeschmack einen kurzen Auszug. Die Autorin Kathrin Weßling ist 30 Jahre alt. Sie kommt ursprünglich aus dem Münsterland. In unserer schönen Stadt arbeitet die Wahlhamburgerin als Social-Media-Fee/Online-Redakteurin unter anderem für den Spiegel und ist auch sonst viel im Netz unterwegs. Bei ihren Lesungen beweist sie eindrucksvoll, dass sie auch offline kann!
Ihr vielgelobtes Erstlingswerk über Depressionen, „Drüberleben„, wurde übrigens 2012 sogar als Theaterstück uraufgeführt und vor Kurzem als Hörbuch umgesetzt. Denn: Egal wo sich Kathrin Weßling äußert, ob bei Poetry Slams, in ihren Büchern oder auf Facebook und Co. – sie nimmt nie ein Blatt vor den Mund und trifft mit ihren Themen den Nerv der Zeit. So bringt sie mich zum Schmunzeln, als sie vor Kurzem auf ihrer Timeline teilt: „Ich bin im Einklang mit mir selbst, du Ficker!“
Fotos: © Yelda Yilmaz | hello@yeldayilmaz.de, Buchcover: Luchterhand Literaturverlag